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Darf der Kinderwagen im Treppenhaus abgestellt werden?
Beim Treppenhaus, Zugängen und Fluren einer Wohnanlage oder eines Mehrfamilienhauses handelt es sich um sogenannte Gemeinflächen, die allen Mietern oder Nutzern zur Verfügung stehen (müssen). Dieses den Mietern an Gemeinflächen eingeräumte Nutzungsrecht ist kein ausschließliches, sondern es ist sowohl durch die angemessene vertragsgemäße Nutzung als auch durch die Mitbenutzungsrechte der anderen Mieter beschränkt.
Nach ganz überwiegender Meinung der Gerichte (beispielsweise: LG Hamburg , Urteil vom 6. August 1991 , Az: 316 S 110/91, Amtsgericht Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2013 – Az: 22 C 15963/12) ist der Mieter berechtigt , einen Kinderwagen an geeigneter Stelle im Treppenhaus abzustellen, wenn ihm nicht zugemutet werden kann, den Kinderwagen jeweils in die Wohnung zu transportieren und wenn andere Mitbewohner hierdurch nicht behindert werden.
Diese Rechtsansicht wurde später vom BGH (Urteil vom 10. 11. 2006 – V ZR 46/06) ausdrücklich bestätigt: Ein Mieter hat aber nur dann einen Anspruch auf Mitbenutzung der Gemeinschaftsflächen, wenn von den dort abgestellten Gegenständen (Kinderwagen, Rollator, Rollstuhl) keine Gefahr ausgeht.
Im Rahmen dieses Nutzungsrechts können Mieter auch einen Kinderwagen im Hausflur abstellen, wenn ihnen unter Berücksichtigung der Interessen des Vermieters und der Belange der Mitmieter das Verbringen in ihre Wohnung unzumutbar ist (BGH, Urt. v. 10.11.2006 – V ZR 46/06).
Ein weiteres Urteil:
Der Mieter einer Wohnung im Obergeschoß ist berechtigt, den Kinderwagen an geeigneter Stelle im Erdgeschoß des Hausflures abzustellen. Die dadurch gegebene Beschränkung der Bewegungsfreiheit im Flur ist hinzunehmen. Um (hier:) eine merklichere Beschränkung auszuschließen, die bei Abstellen zweier Kinderwagen entstehen würde, sind Besucher des Mieters nicht berechtigt, einen mitgebrachten Kinderwagen im Erdgeschoß des Flures abzustellen. – so die Ansicht des AG Winsen, Urteil vom 28. April 1999, Az: 16 C 602/99.
Eine Unzumutbarkeit wird bejaht, wenn ausreichende Stellfläche für den Kinderwagen in der Wohnung fehlt und/oder ein genügend geräumiger Fahrstuhl nicht vorhanden ist, um den Kinderwagen in die Wohnung zu transportieren (vgl. Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 1989, III B 1225; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., II 184; ferner Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht von A-Z, 12. Auflage, „Abstellen“ Seite 26; jew. m.w.N.; AG Hanau WM 1989,366). Das gilt dann, wenn der Mieter eigene Kinder hat und der Kinderwagen für diese bestimmt ist. Nur unter dieser Voraussetzung zählt typischerweise der Gebrauch eines Kinderwagens zum normalen Wohngebrauch, und nur dann ist das Abstellen des Kinderwagens auf Gemeinschaftsflächen vom Mietzweck, der mit der Anmietung einer Wohnung verfolgt wird, mit umfaßt. Auch das gelegentliche und kurzfristige Abstellen von Kinderwagen durch Besucher des Mieters im Treppenhaus an nicht störender Stelle ist ebenfalls vom vertragsgemäßen Gebrauch noch gedeckt. Das LG Hamburg hat jedoch in dem Urteil v. 6. August 1991 (siehe oben) einer Tagesmutter, die gewerbsmäßig fremde Kinder in ihrer Wohnung betreute das dauernde Abstellen von Kinderwagen im Hausflur / Treppenhaus untersagt.
Regelungen(Verbote) in der Hausordnung bzw Mietvertrag
Häufig enthalten Hausordnungen uneingeschränkte Verbote wie zum Beispiel: „Das Aufstellen von Gegenständen jeglicher Art, insbesondere von Fahrrädern, Kinderwagen, Rollern usw. auf Vorplätzen, Gängen, Treppenhausabsätzen und Trockenböden ist nicht erlaubt.“ Eine solche Klausel in einer Hausordnung ist nach ganz überwiegenden Meinung wegen unangemessener Benachteiligung (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) des Mieters unwirksam. (LG Hamburg, Urteil v. 6. August 1991, Az 316 S 10/91, AG Hanau Urteil v. 19. Januar 1989, Az 34 C 1155/88, Amtsgericht Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2013 – Az: 22 C 15963/12 ).
Der BGH hat sich bisher zur Wirksamkeit von Klauseln in Hausordnungen nicht explizit geäußert. Es kann aber nach dem Urteil vom 10.11.2006 (siehe dazu auch >> Hausflur) wohl davon ausgegangen werden, dass uneingeschränkte Verbote, Gegenstände nicht im Flur oder Treoppenhaus abstellen zu dürfen, unwirksam sind.
Hausordnungen werden als Bestandteil des Mietvertrages wie allgemeine Geschäfts-bedingungen („das Kleingedruckte“) behandelt. Mit den wesentlichen Grundgedanken des Mietrechts (= Gebrauchsüberlassung gegen Mietzahlung) ist eine derartige generelle Verbotsklausel nicht mehr zu vereinbaren (§ 307 Abs 1 Satz 1 BGB) und unwirksam. Verbotsklauseln im Mietvertrag, die Ausnahmenregelungen für besondere Fälle zulassen, sind dagegen wirksam, es kommt aber auf den Einzelfall an.
Der Vermieter ist mietrechtlich zur uneingeschränkten Gebrauchsüberlassung gem. §§ 535, 536 BGB verpflichtet. Zum Gebrauch der Wohnung gehören auch die Gemeinschaftsflächen. Die Klausel besagt hinsichtlich der Gemeinschaftsflächen fast das Gegenteil.
Mietrecht Mietrechtslexikon 08 – 2013