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Mietrecht: Raupenplage – Eichenprozessionsspinner
Prozession von Baum zu Baum: Eichenprozessionsspinner wird zur Plage – giftige Raupenhaare verursachen allergische Reaktionen, Raupen-Nester befinden sich auf Eichen. Die spinnt die ihre giftigen Haare zur Abwehr von Fressfeinden in ihr Nest ein. Die giftigen Raupenhaare haften auch an Schuhen und Kleidung an, und können so in die Wohnung eingeschleppt werden.
Wer Kontakt mit den Haaren des Eichenprozessionsspinners hatte und eine allergische Reaktion zeigt, sollte möglichst umgehend einen Arzt aufsuchen. Die Gesundheitsgefährdung durch diese Raupen ist allgemein anerkannt.
Der Eichenprozessionsspinner ist eine Schmetterlingsart, die nur an Eichenbäumen anzutreffen ist und in den meisten europäischen Ländern beheimatet ist. Normalerweise ist diese Art in Deutschland nur selten zu beobachten, da ihr Hauptverbreitungsgebiet in südlichen und trocken-wärmeren Gebieten liegt. Der sehr trockene und warme Sommer 2003 sowie der milde Winter 2003/2004 hat die Art begünstigt und zu einer Massenvermehrung der Tiere geführt.
Eine weitere Risikosituation ist die Raupenbekämpfung selbst. Personen, die mit der Bekämpfung der Schädlinge betraut sind, sind durch die Gifthärchen besonders gefährdet und müssen Schutzanzüge und Atemschutzgeräte tragen, sodass „Selbsthilfe“ in aller Regel nicht möglich ist. Es ist bekannt, dass die Giftwirkung mehrere Jahre anhält. Offenbar ist das Eiweißgift Thaumetopoein, das sich in den hohlen Gifthaaren befindet, sehr beständig gegen Witterungseinflüsse. In einem Feldversuch nach einem Jahr (und noch bevor die Raupen des nächsten Jahrgangs geschlüpft waren) konnten intakte Gifthaare durch eine einfache Abklatsch-Technik vom Boden gewonnen werden. Mit der Zeit werden die Gifthaare durch den Regen in tiefere Bodenschichten geschwemmt und machen sich dann nur mehr bei Gartenarbeiten bemerkbar. Quelle: Dr. med. Harald Maier (Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten), Oberarzt an der Medizinischen Universität Wien und Leiter einer der interdisziplinären Arbeitsgruppe.
Der Vermieter ist beim massenhaften der Tiere bereits wegen der für die Mieter bestehenden Gesundheitsgefährdung verpflichtet, die Tiere ordnungsgemäß zu bekämpfen um insbesondere eine Ausbreitung der giftigen Härchen der Tiere zu verhindern. Sofern der Vermieter die trotz Abmahnung durch den Mieter unterlässt, kann der Mieter die Bekämpfung auf Kosten des Vermieters durchführen lassen (§ 536 a BGB)
Im einzelnen zu Haftung des Vermieters
Der Vermieter haftet gemäß § 536 BGB für alle Fehler des Mietobjektes, auch wenn ihn keine Verschulden trifft, er also für das Auftreten des Fehlers nicht verantwortlich ist.
Als Fehler ist jede für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache vom vertraglich geschuldeten anzusehen, so die allgemeine Meinung in Rechtsprechung und Literatur. Der BGH (NJW 81,2405) hat dies auch als Garantiehaftung des Vermieters bezeichnet.
Auch äußere Einwirkungen begründen einen Fehler der Wohnung. Beispiele: Lärm von einer Großbaustelle >>> siehe Baustelle oder Ungeziefer >>> siehe Käferplage oder >>> Wespennest.
Auf einen Fall von „höherer Gewalt“ kann sich der Vermieter gegenüber seiner Haftung aus § 536 BGB nicht gerade nicht berufen! Beispiel: Ein Dachfenster wird durch schweren Hagelschaden bei einem Unwetter beschädigt, die Wohnung überflutet: Der Vermieter muss die Wohnung unverzüglich wieder in einen ordnungsgemäßen Zustand versetzen, der Mieter kann die Miete mindern. Plötzlich auftretendes Ungeziefer macht das Wohnen unerträglich: Der Vermieter muss das Ungeziefer bekämpfen.
Zu beachten: Der Vermieter schuldet keinen Schadensersatz, sofern ihn kein Verschulden trifft, sondern nur die Herstellung ordnungsgemäßer Zustände – Mangelbeseitigung – . Bis zur Behebung kann der Miieter die Miete mindern. Bei einem Schaden durch Unwetter kann vom Vermieter also nicht der Ersatz der beschädigten Möbel des Mieters verlangt werden. Bei einer Raupenplage oder Insektenplage haftet der Vermieter nicht die ev. notwendigen Umzugskosten, Arztkosten, Schmerzensgeld usw.
Der Fehler kann auch in einem tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnis bestehen (sog. Umweltfehler). Voraussetzung ist jedoch, dass nach der allgemeinen Verkehrsanschauung für einen Mieter die Sache und der Gebrauchswert unmittelbar beeinträchtigt wird. Maßgebend für die Frage, ob eine unmittelbare Beeinträchtigung vorliegt, ist der zum Vertragsinhalt gewordene Vertragszweck (BGH a.a.O.). Beispiel: ein angemietetes Ladengeschäft eignet sich grundsätzlich zu Verkauf von Schuhen (es liegen also keine Baumängel vor, alle behördlichen Genehmigungen sind erteilt). Das Geschäft liegt aber so ungünstig, dass sich nur wenige Kunden hierher „verirren“. Diese fehlgeschlagene Erwartung des Mieters stellt keinen Mangel dar (Beispiel aus BGH-Urteil NJW 81,2405).
Auch der Mensch ist Teil der Natur, zu der auch die Existenz von Tieren und Insekten gehört. Die Belästigung durch Insekten – in der Regel als „Ungeziefer“ bezeichnet – ist Teil unseres Alltags, und stellt für sich genommen im normalen Umfang keinen Mangel der Mietwohnung dar. Eine andere Beurteilung ist erst dann möglich, wenn die Tiere plagenartig auftreten, und die Wohnqualität dadurch erheblich beeinträchtigt wird. Die Garantiehaftung des Vermieters besteht wie vorstehend dargestellt auch und gerade für alle äußeren Einwirkungen, wobei es unerheblich ist, wenn der Vermieter selbst zur Duldung verpflichtet ist.
Der Vermieter ist rechtlich dazu verpflichtet, den gesundheitsschädigenden Eichenprozessionsspinner zu bekämpen, sofern die Insekten in Massen auftreten. Wandern die Raupen vom Nachbargrundstück her ein, so ist der Vermieter verpflichtet, gegen den Grundstücksnachbarn vorzugehen. Dieses Recht steht auch dem Mieter als Besitzer zu, der bei jeder Art von Besitzstörung gegen den Störer vorgehen kann.
Dazu ein Beispiel aus der Rechtsprechung
„Raupeninvasion“ auf Nachbargrundstück (LG Coburg 3. Zivilkammer, Urteil vom 8. Februar 1991, Az: 3 S 65/90):
Pflicht zur Verhinderung übermäßiger Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks durch Raupenplage aufgrund Rapsanbaus auf landwirtschaftlichem Grundstück
„Auch wenn die Nutzung eines landwirtschaftlichen Grundstücks in ländlicher Lage zum Rapsanbau eine ortsübliche Nutzung darstellt, ist der Grundstückseigentümer verpflichtet, Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks durch eine über das zu duldende maß hinausgehende „Raupeninvasion“, die durch die intensive Bewirtschaftung mit den Rapspflanzen verursacht wird, möglichst gering zu halten und durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen zu verhindern (Anlegen eines Schutzstreifens und Spritzen) und haftet dem Grundstücksnachbarn bei Unterlassen derartiger Maßnahmen auf Ersatz der Kosten für die Beseitigung der Schädlinge und der Verschmutzung an den Hauswänden. Quelle: NJW-RR 1991, 716″
Mietrecht 07 – 2012 Raupenplage , Eichenprozessionsspinner